Freitag, 15. Juli 2016

Wenn der Hass um sich greift…


Ein Beitrag von Tobias-Benjamin Ottmar

Als ich heute Morgen die Nachrichten hörte, musste ich weinen. Schon wieder ein Anschlag. Und wieder einer in unserem Nachbarland. Je näher der Terror rückt, desto mehr bedrückt er uns – das ist verständlich. Doch neben dem jüngsten Terrorakt mit mindestens 80 Toten in Nizza – am Abschluss des französischen Nationalfeiertags – gab es allein im Juli noch zahlreiche weitere Gewaltakte mit weit über 300 Toten und hunderten Verletzten: Dreimal in Bagdad (allein dort über 330 Todesopfer), in Dhaka und Saudi-Arabien. Die Liste, die Wikipedia hier führt, ändert sich fast täglich. Es fällt schwer, die Übersicht zu behalten.
Während im Irak der Terror leider inzwischen zum Alltag gehört, ist er für unsere westliche Welt (noch) eine Ausnahmesituation – die aber immer häufiger auftritt. Es ist für mich – neben dem Verdienst der Sicherheitsbehörden – auch ein Wunder und Gnade Gottes, dass im deutschsprachigen Raum noch keine Anschläge dieser Art stattgefunden haben. Die Gewalttat in Nizza – deren Hintergründe zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar sind – stellt einen traurigen Höhepunkt dar. Wenige Stunden zuvor hatte noch Frankreichs Präsident François Hollande angekündigt, den Ausnahmezustand seines Landes zum Ende des Monats zu beenden. Er war nach der Anschlagsserie im November verhängt worden. Nun ist die Hoffnung, dass das Land etwas zur Normalität zurückkehren kann, einer wachsenden Angst gewichen. Während tausende Polizisten die Militärparade auf der Champs-Élysées beschützten, konnte wenige Stunden später ein einzelner Mensch dutzende Personen in den Tod reißen.

Wie sollen wir mit diesem um sich greifenden Hass umgehen? Wie bewerten wir die Tatsache, dass die allermeisten Terrorakte von Islamisten verübt werden (im aktuellen Fall ist das noch unklar!)?

…zählt das Gebot der Liebe umso mehr

Zum einen sollten wir die Motivation der Gewalt nicht verharmlosen. Es ist leider nicht zu leugnen, dass es eine erhebliche Zahl radikalisierter Muslime gibt – die wohl auch noch wächst. Sie berufen sich dabei auf ihre heiligen Schriften und ihre religiösen Führer. Ob ersteres theologisch haltbar ist, ist umstritten – es ist aber eigentlich auch irrelevant. Fakt ist, dass das Gottesbild im Islam und Christentum höchst unterschiedlich ist. Als Christen dürfen und sollen wir für den Gott der Liebe werben, der sich in Jesus Christus den Menschen gezeigt hat und zu dem jeder Mensch eine persönliche Beziehung aufbauen kann. Bei „Weihnachten im Schuhkarton“ erleben wir immer wieder, welche positiven Entwicklungen das Annehmen dieser Botschaft haben kann – auch wenn sich die äußeren Umstände (Armut, schwierige Familiensituation, etc.) nicht unbedingt immer ändern.

Die Botschaft der bedingungslosen Liebe Gottes ist gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je – denn sie zeigt auch für all diejenigen Muslime eine Alternative auf, die gerade auch aufgrund der Gewalt des IS mit ihrer eigenen Glaubensüberzeugung hadern. Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass unter den Flüchtlingen die Zahl der Christen wächst.

Wir sollten uns davor hüten, auf diesen Hass mit einer ebenso hasserfüllten Einstellung zu reagieren. Verurteilungen, Pauschalisierungen und Isolation helfen uns nicht weiter. Stattdessen gilt es, sich selbst zu hinterfragen, ob man sich von diesem Gott der Liebe prägen lassen will – oder von den schrecklichen Nachrichten? Und wer bereits mit dem Gott der Bibel unterwegs ist, der ist in diesen Tagen mehr denn je gefragt, ein Zeuge der Liebe zu sein, Mitgefühl zu zeigen und für die Welt, die Opfer der Anschläge, die Verantwortungsträger und auch unsere Feinde zu beten. Die Aufforderung von Jesus aus Matthäus 5,44 („Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen!“, Hoffnung für Alle) gilt schließlich auch in diesem Fall – auch wenn sie noch so schwer fällt.